3.5 Verarbeitungstechnik Filzen

Gerade heute bietet das Filzen für die Bewohnerin einer Industrienation einen Zugang zum Archaischen. Filzen setzt den käuflichen Fertigprodukten etwas Eigenständiges, Natürliches entgegen. Etwas, was an die Wurzeln der menschlichen Existenz erinnert. Es befriedigt die Sehnsucht nach natürlich gewachsenen, reinem Material und der Ausübung eines Handwerkes im ursprünglichen Sinne.

Wie ursprünglich die Technik des Filzens ist, zeigt sich schon in der Ethymologie des Begriffs.

„Das Wort Filz, mittelhochdeutsch „ vilz“, englisch „felt“, ist westgermanischen Ursprungs und bedeutet „gestampfte Masse“.“ 45

Das Filzen hat eine Jahrhunderte alte Tradition. „Viele Geschichten erzählen, wie entdeckt wurde, dass sich Wolle verfilzt. Eine davon geht auf die Arche Noah zurück. Sie berichtet, dass die armen Schafe in der Arche nicht so viel zu Fressen bekamen. Da sie außerdem auf engem Raum standen und sich wärmten, begannen sie, ihre Wolle zu verlieren, die schliesslich unter ihnen auf dem Boden lag. Sie urinierten auf diese Wolle, tampelten darauf herum und was geschah? Als die Schafe die Arche verlassen hatten, hinterliessen sie einen gefilzten Teppich! . . . In dieser Geschichte kommen alle wichtigen Elemente der Filzherstellung vor: Wolle, die alkalische Walkflüssigkeit (hier der Urin) und die mechanische Bearbeitung (das Trampeln), die bewirkt, dass sich die Wolle verfilzt.“ 46




Quelle: Sjöberg,G.P.: Filzen, S.12

Filzfunde reichen mind. bis 600 Jahre vor Christus zurück. In den vergangenen Jahren wurde diese Technik in unseren Gebieten wieder neu entdeckt. Es fanden und finden Filzkurse statt und Kunsthandwerker machen sich diese Technik zu Nutzen.

Alles kann aus Wolle geformt werden. Wolle ist ein hautverträgliches und umweltfreundliches Naturmaterial, das sich ständig erneuern kann. Ein Kriterium, das dem ökologieorientierten Ansatz des Kollektionskonzeptes entgegenkommt. Es können außerdem aus ursprünglich losen Fasern innerhalb weniger Minuten Flächen und Formen entstehen, ohne den Einatz eines anderen Werkzeuges als der Hände.

Die Schuppen der Wollfasern können sich durch den Einfluß von Wärme, Feuchtigkeit und Mechanik dauerhaft ineinander verhaken. Die nativen Eiweißfasern sind die einzigen textilen Fasern, die filzen. Diese Eigenschaft wird beim Filzen genutzt.

Es beginnt mit dem Auseinanderzupfen des Wollvlieses und dem behutsamen Auslegen der Wolle im trockenem Zustand. Nach einer ersten Zugabe von heißem Seifenwasser beginnt man zunächst ganz leicht über die Wolle zu reiben, um die ersten Verbindungen der Fasern zu schaffen. Dafür ist leichtes Reiben und Kreisen der Hände auf der Wolle empfohlen, erst später folgt ein kräftiges Walken.

„Und die Hände müssen spüren, wann die Wolle soweit ist, kräftiger bearbeitet zu werden.“ 47 Es ist die Wolle selbst, die die Geschwindigkeit der Verarbeitung angibt. Guter Filz braucht Zeit.

Wolle stößt naturgemäß Wasser ab. Aber Wasserdampf dringt in die Fasern ein. Es muß also beim filzen mit heißem Wasser gearbeitet werden. Durch die Bewegungen reiben die Wollfasern aneinander, es entsteht Wärme und dadurch gelangt Wasserdampf in die Fasern. In der Mongolei ist es noch heute Brauch, daß nasse Vlies in einen Mutterfilz zu einer Rolle einzurollen. Anschließend wird er mittels Pferden über den Boden der Steppe gezogen. Durch die so erzeugte Hitze spart man kostbares Brennmaterial.




Quelle: Sjöberg,G.P.: Filzen, S. 91

Es muß darauf geachtet werden, daß nicht zu viel Wasser die Fasern überschwemmt. Das würde die Dampfbildung erschweren. Zudem würden die Wollfasern aufquellen.

Nur heißes Wasser allein reicht nicht aus. „Durch die Bewegung und die Reibung werden zusammen mit dem Druck die Wollfasern „auf Wanderschaft“ geschickt.“ 48

Als Gleitmittel und Quellhilfe für die Fasern dient Seife. Olivenseife ist wegen ihrer Hautverträglichkeit am besten geeignet. Aber auch die flüssige Schmierseife, Kernseife oder Seifenflocken können verwendet werden. Diese Seifen sind alle biologisch abbaubar.

Der Ausführung des Filzens sind keine Grenzen gesetzt. Der Filz kann entweder in Reibetechnik auf einer Unterlage entstehen, oder er wird, in Stoffbahnen und Bambusmatten gewickelt, gerollt. Auch ist es möglich Filz mittels der Waschmaschine oder des Dampfkochtopfes herzustellen. In der vorliegenden Kollektion wird experimentell mit diesen Grundtechniken umgegangen.

Bei allen Filztechniken wird der Filz anfangs öfters kontrolliert, damit keine unerwünschten Erscheinungen auftreten. Wenn sich die Wollfasern kräftig verhakt haben, wird der Filz gewalkt, daß heißt, er wird kräftig bearbeitet. Größere Flächen werden mitunter auf den Boden geworfen. Wenn der Prozeß des Walkens richtig ausgenutzt wird, können sich die Wollfasern nicht mehr verschieben. Ein Pillingeffekt, wie er bei nicht bis zum Schluß ausgewalkten Filzen auftritt, entfällt dann. Pilling bedeutet unerwünschte Knötchenbildung an Textiloberflächen.

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