1. Einleitung

Vom Ende des 19. Jahrhunderts an entwickelten sich in der Abgrenzung zu den ästhetischen Phänomenen der industriellen Revolution zunächst voneinander unabhängige Gegenbewegungen.

Die industrielle Revolution brachte eine Vielzahl neuer Techniken und Materialien, sowie die Möglichkeit serieller Großproduktionen mit sich. 1

Was in historisierender Ästhetik für Jedermann seinen Ausdruck fand, befriedigte nicht die ästhetischen und qualitätsbezogenen Ansprüche von Künstlern und Architekten.

In Zusammenarbeit mit den wiederentdeckten Handwerkern suchten diese neue Wege der Gestaltung unter der Einbeziehung der zeitgenössischen Technologien. Sie experimentierten mit den Materialien Eisen, Glas und Beton.

„Abseits von der offiziellen Architektur erarbeiteten sie die materiellen und konstruktiven Grundlagen für eine kommende Baukunst, deren große Stunde anbrach, als zu Beginn unseres Jahrhunderts die Trennung von Ingenieur und Architekt überwunden und die Architektur wieder als eine Einheit von Kunst und Technik, von Form und Konstruktion begriffen wurde.“ 2

Die Engländer John Ruskin und William Morris setzten den oft überladenen, formlosen Stilimitationen der maschinellen Fabrikation „die Forderung nach wahrhaftiger, selbständiger und werkgerechter Gestaltung entgegen.“ 3

Doch die Kritik an der industriellen Revolution bezog sich nicht nur auf das unzeitgemäße Design des Historismus. Sie richtete sich auch auf die anderen Erscheinungen der industriellen Revolution.

„Ruskin und Morris sahen die Verheerungen, die von einer rapide anwachsenden, nur auf Gewinn bedachten Industrie angerichtet wurden: den schnell und achtlos fabrizierten Schund,... die Verschandelung von Landschaften und Städten..., die Erniedrigung des arbeitenden Menschen zum Handlanger der Maschine, die soziale Destruktion in den Slums der Fabrikviertel.“ 4

Die Künstler wollten zurück zum Handwerk. Aus der gemeinsamen Arbeit mit Handwerkern, Malern und Architekten entstanden in ganz Europa Künstler- und Kunsthandwerkergenossenschaften. Die Techniken in den Werkstätten entsprachen den mittelalterlichen Vorbildern – eine Entwicklung, die gegen Ende des 19.Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreichte.

Dieser Stil wurde in Frankreich Art Nouveau, in England Modern Style, in Italien Stile florale, in Deutschland Jugendstil und in Österreich Secessionsstil benannt. Unabhängig voneinander versuchten europäische Künstler sich abzuwenden von der historischen Malerei, Architektur und Kunst.

Es wurden Vereinigungen gegründet mit dem Ziel, Kunst und Leben zu vereinbaren. Den jungen Künstlern ging es um eine neue Lebensform. Sie waren als Künstler zugleich Handwerker und als Handwerker Künstler.

Sie arbeiteten mit exotischen Materialien in häufig handwerklich sehr guter Verarbeitung. Immer bestand eine Tendenz zum Außergewöhnlichen, Elitären, Erlesenen. Ihre Vorbilder entnahmen sie zumeist der Pflanzenwelt. Linien, Wellen, Kreise, Spiralen und nicht zuletzt Pflanzenornamente beherrschten Malerei, Kunsthandwerk und Architektur. Starke Einflüsse kamen aus der japanischen Kunst, insbesondere durch die japanischen Farbholzschnitte eines Hokusai, aber auch aus dem französischen Spätimpressionismus.

Vertreter des Jugendstils waren z.B. die belgischen Architekten Victor Horta und Henri van de Velde. Auch die deutschen Architekten Peter Behrens, Richard Riemerschmid und August Endel erlangten großes Ansehen. In Frankreich war Henry Toulouse Lautrec aufgrund seiner Plakatentwürfe schon zur damaligen Zeit ein sehr gefragter Künstler. Charles Rennie Mackintosch, ein Vertreter der Glasgow School, machte sich einen Namen durch seinen schlicht - funktionalen Stil.

Das Zentrum des Secessionsstils in Österreich war Wien. Im Künstlerhaus, zwischen 1865 und 1868 errichtet, hatte die Vereinigung der Wiener Künstlerschaft ihren Sitz. Es fanden viele Ausstellungen statt, doch die Werke wurden vorher von einer Jury ausgewählt. Mißfiel dieser ein Werk, so ging dem Künstler die Chance verloren, sich in einer Ausstellung zu präsentieren und größere Außenwirkung zu erreichen. Durch die neue Künstlergeneration entstanden Unstimmigkeiten, es kam zum Generationskonflikt, der 1897 zu einer Abspaltung führte.

Die Wiener Secession wurde gegründet, mit Gustav Klimt als ersten Präsidenten. Weitere bedeutende Künstler waren der Innenarchitekt und Maler Koloman Moser, die Architekten Otto Wagner, Joseph Maria Olbrich, Adolf Loos und Josef Hoffmann. Sie wollten sich absetzten von den jährlich stattfindenden Massenveranstaltungen, die von Bildern unterschiedlichster Qualität überfüllt und nur für den Kommerz gedacht waren.

Sprachrohr der Secessionisten war die Zeitschrift „Ver Sacrum“ (lat. Heiliger Frühling). Die Zeitung erschien monatlich von 1898 bis 1899, zweimonatlich bis 1903. Ihr Format war quadratisch. Dieses war auch der Rahmen der Secession: das Quadrat – in der graphischen Kunst, der Kleidung, der Architektur.

Bis 1905 führten die Wiener Secessionisten 23 gut organisierte und zukunftsweisende Ausstellungen durch. Organisatoren waren hauptsächlich der Maler Carl Moll und Josef Engelhart, die gute Kontakte zum Ausland besaßen.

Doch es kam auch zu einer Spaltung in der Secession. Es bildeten sich zwei Gruppen: die Stilisten um Klimt und die Naturalisten, die sich vom Jugendstil nicht angezogen fühlten.

Der Jugendstil wurde vom Bauhausstil abgelöst. Nach einer Zeit der immer raffinierter werdenden Ornamente schien es unumgänglich, nach klaren Formen zu suchen. Zudem war die Produktion zu aufwendig infolge des ersten Weltkriegs, der anschließenden Weltwirtschaftskrise und des aufkommenden Nationalsozialismus. Diese Zeit folgte einer gänzlich anderen Ästhetik.

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