1. Einleitung

Wolle als Rohstoff für Textilien und auch als Material zum Isolieren menschlicher Behausung war in Form von Zeltplanen für Jurten der Normaden Zentralasiens und den kunstvoll geknüpften Teppichen schon 2000 v. Chr. eine Selbstverständlichkeit.

Auch für mich, die 4000 Jahre später lebt, ist Wolle ein wichtiger Rohstoff, der mir Existenzbedüfnisse wie warme Kleidung, ein warmes Bett und eine fußwarme Wohnung, befriedigen kann. Für mich gehört "Wollenes" zu den existenziellen Dingen im Alltag.

Wolle kann naturgemäß und umweltgerecht vom Schäfer erzeugt werden und gilt für mich als nachwachsender Rohstoff. Um so unverständlicher ist es mir, daß Wolle auf politischer Ebene in der EU nicht als "Nachwachsender Rohstoff" definiert wird.


Aus diesen Gründen ist es für mich ein Bedürfnis, mich mit Wolle und ihrer Verarbeitung näher zu befassen. In dieser Arbeit möchte ich auf die Wollverarbeitungstechnik Filzen eingehen und das Filzverhalten verschiedener Wollen einheimischer Landschafrassen gegenüberstellen.

Der Rohstoff Wolle kann dadurch, daß es viele unterschiedliche Schafrassen gibt und deshalb auch verschiedene Wollen, sehr unterschiedlich in seinen Eigenschaften sein. Diese Tatsache brachte mich dazu, mich mit den seltenen und vom Aussterben bedrohten Rassen auseinanderzusetzen. Die Landschafrassen weisen ganz spezielle, charakteristische Vliese auf. Diese Wolle hat im allgemeinen eine grobe Qualität und ist deshalb auf dem Wollmarkt nicht gefragt. Überhaupt spielt die europäische Wolle auf dem internationalen Wollmarkt keine Rolle. Der Wollpreis ist seit der Öffnung der Grenzen der "Ostblockländer" völlig gefallen und die europäische Wolle hat zur Zeit den Stellenwert eines Abfallproduktes. Zwar wird das Problem von Fachleuten an die EU heran getragen, doch bis heute wird Wolle in der EU nicht als landwirtschaftliches Produkt angesehen und somit auch nicht als solches gefördert.

Meiner Meinung nach ist es wichtig, Aufmerksamkeit und Interesse für den Mißstand auf dem Wollmarkt bei den politischen Instanzen zu erregen und zu versuchen, Förderungspläne zu entwickeln, die weniger einen monetären Zuschuß pro Erzeugungseinheit darstellen sollten, sondern eher eine aktive Hilfe zur Selbständigkeit der Erzeuger. Zum Beispiel sei die Aufbesserung des Images der Wolle durch Werbung und eine Hilfe zum Aufbau der Verarbeitungsstrukturen und Vermarktungsmöglichkeiten (finanziell wie auch organisatorisch) genannt. In der momentanen wirtschaftlichen Situation unserer Gesellschaft kann das Schlüpfen in Nischen eine Chance sein. So kann vielleicht die Eine oder der Andere mit dem Rohstoff Wolle, Eigeninitiative und Ideenreichtum sogar eine Innovation schaffen.

Als Beispiel einer erfolgreichen Vermarktung von Wolle sei die Vermarktung in Schäfereigenossenschaften genannt. Mehrere kleinere Schäfereien bringen ihre Wolle zusammen, waschen und kämmen gemeinschaftlich und verkaufen Rohwolle oder verarbeiten ihr Produkt zu Spinnwolle weiter und fertigen hochwertige Kleidungsstücke. Verwirklicht hat dieses Konzept die Spinnerei Longo Mai in Frankreich. Sie entstand aus der Initiative A:T:E:L:I:E:R (Europäischer Verein zur Förderung von Austausch, Kontakten, Innovation und Forschung im Textilbereich).

In dieser Projektarbeit wird dargestellt, wie die Wolle seltener und vom Aussterben bedrohter einheimischer Schafrassen bei der handwerklichen Verarbeitung durch die Technik des Filzens reagiert, und welche Unterschiede die verschiedenen Wollarten aufweisen. Um die Unterschiedlichkeit der Wolle und deren Reaktion beim Filzen verstehen zu können wird hier zunächst die Wolle am Schaf, und dann die Wollfaser als solche genauer betrachtet.

 


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