3.6.7 Die Schneefee - Weißes Gewand
Das letzte Modell ist in purem Weiß gehalten, dem hellsten Weiß, das mit ungebleichter feiner Merino-Lammwolle erzielt werden kann. Der Verzicht auf weitere Farben konzentriert alle Aufmerksamkeit auf die Form und das Material. Der Erfahrung mit dem Phänomen Filz setzt sich nichts entgegen. Er verhüllt den Körper fast völlig mit einer wärmenden und schützenden reinen Schicht. Die Linie ist klassisch schlicht, enganliegend mit weitem Saum, einem enganliegenden hohen Kragen und schmalen, bis über die Handwurzelknochen reichenden Ärmeln. Im Rücken wird das Kleid einen tiefen Einschnitt erhalten. Eine senkrechte, schmale Linie, die gleichzeitig als Einstieg dient und am Kragen durch einen verdeckten Verschluß gehalten wird. Als einziges Zugeständnis an Dekorelemente sind im Kragen kleine, mit Blattgold überzogene Aluminiumbleche eingefilzt. Das Blattgold hat mit 24 Karat die höchste Reinheit und damit auch die authentische Goldfarbe. Anzunehmen, daß auch Gustav Klimt die Mosaiksteine für seinen Fries mit dieser Goldqualität hat überziehen lassen. Die Goldplättchen sind bewußt quadratisch gewählt. Zum einen zitieren sie die Form der Mosaiksteine des Frieses, zum anderen ist die Wirkung des Goldes im Zusammenhang mit dem Kleid in dieser Form am besten. Dem mag zugrundeliegen, daß das Quadrat „die neutralste und dementsprechend ruhigste Flächenform“ darstellt. 49 Diese Ruhe, man kann auch sagen Strenge, wird verstärkt durch die parallele Anordnung der Plättchen in zwei Reihen. Der hohe Kragen und edle Abschluß gibt dem Kleid eine Note von Zurückhaltung und Keuschheit. Der Blick des Betrachters wird durch die Goldeinschlüsse gezielt auf den Hals – nicht etwa das Dekolleté oder die Taille – der Trägerin gelenkt. Die Frau behält Ihren Körper für sich und tritt mehr im Hals und Kopfbereich für die Außenwelt in Erscheinung. Sie wird sich eher in Stimme und Gedanken äußern als durch körperliche Präsenz. Diese Zurückhaltung ist selbstgewählt und – wie es der tiefe Rückenausschnitt andeutet – aufhebbar. In der Ambivalenz dieser beiden Aussagen bewegt sich auch die sehr geistige Erscheinung der Tänzerin. Ihre stilisierte Körperlosigkeit signalisiert Distanz, die unbedeckten Arme wiederum Zugänglichkeit.Beim Filzkleid wird versucht das ganze Model einschließlich der Ärmel in einem Stück zu filzen, so daß Nähte und Abnäher entfallen und auch hier nur mit den Händen geformt wird, ohne Einsatz von Maschinen. Das Modell strebt das vollkommene Kleid an: alle Nähte sollen entfallen und nur das rein weiße Material mit seiner leichten Woll-Struktur wirkt in seiner strengen Form; Schmucklos bis auf die kleinen Quadrate in Gold, die anstelle einer Kette als Schmuck im Modell integriert sind. Gold und Weiß. Gold ist die Farbe des Reichtums, der Reinheit und Heiligkeit. Weiß ist die Summe aller Farben des Regenbogens. Weiß ist die Farbe der Trauer in Ostasien – und die Farbe der Braut in Mitteleuropa. Obwohl hier keine Brautmodenkollektion vorliegt, ist ein Einsatz des Kleides bei einer Hochzeitszeremonie durchaus denkbar. |